Allgemeine Einschätzung
In der letzten Woche haben sich bisherige Trends bestätigt und verstärkt. Außenpolitisch bahnt sich erstens eine Blockbildung an, mit der EU und den USA auf der einen und China und Russland auf der anderen Seite. Sanktionen seitens der USA, Kosumentennationalismus in China, die Rhetorik der Abschottung oder des Entkoppelns und das Verstärkte werben um die ASEAN-Staaten (durch US-Außenminister Blinken und die G7-Staaten) scheinen diese Entwicklung zu befördern. Die ASEAN-Staaten werden jedoch ihre strategische Ambivalenz kaum preisgeben. Zweitens scheint die Führung in Peking ihre Kontrolle der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und der Gesellschaft in Hong Kong weiter zu zementieren. Dabei scheint weder das Wirtschaftswachstum noch die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt wirklich positiv zu sein. Im Ausland war die Besorgnis vor chinesischer Technologie besonders groß, denn sowohl die G7-Staaten als auch der Democracy Summit, jeweils in der Woche vom 6-12. Dezember, warnten schon vor den Folgen von Überwachungstechnologie für Demokratien.
Außenpolitik
Am 14. Dezember besuchte US-Außenminister Blinken Indonesien, danach Malaysia und reiste spontan ab, nachdem ein Reporter in seiner Begleitung positiv auf Corona getestet wurde.
Am 15. Dezember beugte sich Marokko dem Druck Pekings und beschloss den uighurischen Aktivisten Idris Hasan an China auszuliefern.
Am 15. Dezember besprachen sich Xi Jinping und Vladimir Putin virtuell. Sie haben sich gegenseitige Unterstützung versprochen. Rücken an Rücken (背靠背) unterstützt Xi Jinping Russland in seinen Ambitionen in der Ukraine und umgekehrt verspricht Putin China in Sachen Taiwan Unterstützung. Darüber hinaus stellten sie in Aussicht einen gemeinsamen Handels- und Währungsraum zu schaffen, um sich von den USA unabhängig zu machen, und Putin versprach zu den Winterspielen in Peking zu Besuch zu sein.
Am 15. Dezember kam eine fünfköpfige Delegation der französischen Nationalversammlung in Taiwan an. Sie erhoffen sich wohl von der Expertise Taiwans in der Halbleiter- und Chipherstellung zu profitieren. Taiwan hingegen wünscht sich eine Annäherung an die EU.
Am 15. Dezember hat Litauen sein diplomatisches Personal aus China abgezogen, nachdem sich Spannungen zwischen den beiden Ländern aufgrund der Eröffnung einer Vertretung Japans in Vilnius verstärkt hatten. China übt weiterhin Druck auf Continental aus, keine Teile aus seinem Werk in Litauen zu beziehen. Berichten zufolge sind mindestens ein Duzend weitere Firmen von einem ähnlichen Druck betroffen. Die EU hingegen erklärte sich solidarisch mit Litauen.
Am 16. Dezember erklärte Kishida Fumio, die olympischen Winterspiele nicht zu boykottieren und äußerte sich moderater als der ehemalige Premier Japans Abe Shinzo, der Taiwan vor zwei Wochen ein Kerninteresse Japans nannte und jede Form militärischen Vorgehens Chinas gegen Taiwan eine Suizidmission nannte.
Am 16. Dezember akzeptierte der US-Senat den „The Uygur Forced Labour Prevention Act“, in einem „tit-for-tat“ für die Entscheidung von Nicolas Burns als Botschafter in Peking. Es wird von der Unterschrift des Präsidenten an verboten sein, Güter aus Xinjiang zu beziehen, vor allem Solarpanele, Tomaten und Baumwolle, ohne eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten. Dies gilt aber als unmöglich, weil zu belegen wäre, dass ein in Frage kommendes Produkt ohne Zwangsarbeit produziert wurde – ein Beleg der wohl kaum erbracht werden kann.
Am 19. Dezember hat Justin Trudeau ein Interview zum Jahresende gegeben und darin eine deutliche Sprache für die Beziehungen Kanadas zu China gefunden. Er versprach, dass Kanada eine klare Position vertreten werde.
Sanktionen der USA
Am 15. Dezember setzte das Treasury Department unter dem „The Kingpin Act“ chinesische Hersteller von Fentanyl und anderen Stoffen, die für die Erzeugung von Opioiden benötigt werden, auf die schwarze Liste.
Am 16. Dezember setzte das Treasury Department acht chinesische Firmen auf die schwarze Liste des „The Chinese Military-Industrial Complex“, der sie vom US-amerikanischen Finanzmarkt ausschließt und US-amerikanische Investitionen verbietet. Darunter ist auch der Drohnenhersteller SZ DJI Technology Co., Ltd.
Am selben Tag setzte das Department of Commerce 37 chinesische Unternehmen im Bereich Medizin und Biowissenschaften auf die sogenannte „Entity List“.
Diese Sanktionsmaßnahmen haben ihren Grund darin, dass in Xinjiang ein System der technologischen und biologischen Überwachung etabliert ist, in dem private Unternehmen mit den staatlichen Behörden eng kooperieren.
Nachrichten zu Hong Kong
Am 19. Dezember wurde in Hong Kong gewählt. Allerdings standen diese „Wahlen“ unter dem Einfluss des neuen Sicherheitsgesetztes und des reformierten Wahlgesetzes für Hong Kong. Demokratische Kandidaten wurden festgenommen oder ausgeschlossen, nur 20 der 90 Sitze konnten durch Wahlen bestimmt werden und dementsprechend lag die Wahlbeteiligung bei circa 30 %, dem niedrigsten Wert seit Jahrzehnten.
Ausländischen Firmen in China
Am 13. Dezember ging ein Video viral, das Mitarbeiter zweier Starbucksfilialen in Wuxi dabei zeigte, wie sie Verfallsdatumsaufkleber austauschten. Daraufhin entfachte sich ein Sturm der Empörung und die Stadt Wuxi ordnete eine Untersuchung der 82 Filialen in Wuxi an. Es folgte eine landesweite Initiative, bei der alle Starbucksfilialen untersucht wurden. Obwohl Nahrungsmittelhygiene zweifelsohne ein wertvolles Gut ist und geschützt werden muss, ist diese Kampagne wohl auch ein Resultat des stetig resoluter werdenden Konsumentennationalismus, der dieses Jahr schon die Marken Canada Goose, H & M, Dior und Nike betroffen haben. Ob es sich dabei immer um einen genuinen Ausbruch der „Volksempörung“ oder eine in Teilen gesteuerte Kampagne handelt, ist bei den 22 Million vom Staat bezahlten Internettrollen nicht leicht zu sagen.
Am 17. Dezember hat Mikrosofts Suchmaschine Bing die automatische Ergänzungsfunktion auf Betreiben der chinesischen Regierung ausgesetzt. Sie befürchtet, dass die Suchmachine sensible Ergänzungen vorschlage.
Am 17. Dezember veröffentlichte Reuters einen Investigativbericht zu den Geschäftspraktiken von Amazon in China, der zeigt, dass sich Amazon stets den Bedürfnissen der KPCh Propaganda angepasst hat, um auf dem chinesischen Markt zu bleiben. Während manche Bücher einfach nicht erhältlich sind, ist die Reviewfunktion für Regierungspublikationen abgeschaltet, weil es zu viele negative Kritiken gab (weniger als fünf Sterne galt hier schon als negativ).
Technologiesektor
SenseTime hat am 12. Dezember seinen Börsengang in Hong Kong verschoben, weil sie letzte Woche auf die schwarze Liste der USA „The Chinese Military-Industrial Complex“ gesetzt worden war.
Die Washington Post hat am 14. Dezember einen investigativen Bericht zu Huawei veröffentlicht. Sie hat 100 geheime Powerpointpräsentationen ausgewertet und stellt fest, dass Huawei in den Bereichen von Spracherkennung zu Überwachungszwecken, Überwachung in Gefängnissen und Haftanstalten in Xinjiang, Ortung, Kameraüberwachung in Xinjiang und Überwachung in Unternehmen aktiv mitgearbeitet hat, entgegen eigener Stellungnahmen von Huawei selbst.
Tencent darf seit dem 14. Dezember neun seiner APPs aktualisieren und zum Download bereitstellen, nachdem alle APPs von Tencent durch die Internetkontrollbehörde für widerrechtlich befunden wurden.
Nachdem der angehende Star der chinesischen Chipherstellung, die Tsinghua Unigroup, im November vor dem finanziellen Aus stand und nun einen Restrukturierungsplan vorgelegt hat, lehnte Großinvestor Zhao Weiguo diesen Plan am 16. Dezember ab. Daraufhin betonte das Management von Tsinghua Unigroup am 17. Dezember, dass sie an der staatsgestützten Übernahme festhalten.
Immobilienmarkt
Nachdem einige Bauunternehmen wie Fantasia, Kaisa Holdings, Evergrande oder Modern Land in den letzten Monaten ihre Schulden nicht bedienen konnten, scheint sich der Abwärtstrend auf dem chinesischen Immobilienmarkt nun zu verstärken. Nachdem Kaisa Holdings die Woche zuvor eine Schuld von 400 $ nicht bedienen konnte und die Agentur Fitch Ratings sie als partiell zahlungsunfähig einstufte, versucht Kaisa seine Schulden umzustrukturieren.
Am 14. Dezember startet die Börse in Shanghai eine Untersuchung der Shimao Group Holdings, nachdem sie den Verkauf von 93 Apartments in Lujiazui abgesagt hatte und ihre Aktien um 20 % gefallen waren.
Am 16. Dezember veröffentlichte der Shortseller Muddy Waters einen Bericht, nachdem die KE Holdings ihre Zahlen frisiert hätte.
Am 17. Dezember erklärte S&P Evergrande für offiziell bankrott. Am selben Tag erklärten die Behörden Pekings, dass das Unternehmen SOHO 709 Millionen RMB an nicht gezahlten Steuern zurückzahlen muss. Da sich diese Bauunternehmen oft bei ihren Immobilienmanagementabteilungen bedienten, um sich zu finanzieren, stürzten viele ihrer Aktien in den Keller.
Wirtschaft
Am 15. Dezember veröffentlichte der IWF auf seinem Blog einen Bericht über den Schuldenanstieg weltweit für 2020, der auf 226 Billionen Dollar anstieg. Das sind ein 28 % Anstieg gegenüber dem Jahr 2019 auf 256 % des weltweiten BIP. China allein war für 26 % dieses Anstiegs verantwortlich.
Die Staatsschulden in China haben, laut dem ehemaligen Vorsitzenden des Nationalen Pensions Fonds Lou Jiwei, ein bedrohliches Niveau erreicht. In den Jahren 2017, 2018 und 2019 stiegen die Ausgaben für Zinsen um jeweils 16 %, 10 % und 4,5 % schneller als die Gesamtausgaben und für die Monate Januar bis November im Jahr 2020 stiegen sie um 15,4 % schneller. Nach Lou Jiwei kann die Regierung wegen ihrer Schulden nur eingeschränkt investieren, obwohl in den nächsten Jahren massive Investitionen in Umweltschutz, Altersvorsorge, den Wohlfahrtsstaat und die Modernisierung der Wirtschaft notwendig sind, und die Wahrscheinlichkeit einer Finanzkrise steigt.
Am 15. Dezember veröffentlichte das Statistikbüro Zahlen zur Wirtschaftsentwicklung im November und am 17.12. die bereinigten Zahlen zum Wirtschaftswachstum im Jahr 2020. Sie dämpfen den Enthusiasmus, der mit dem Post-Covid-Wiederaufschwung verbunden wurde, aber sie drücken nicht die Sorgen aus, die aus den Dynamiken auf dem chinesischen Immobilienmarkt resultieren und die sich, nach einigen Interpreten, in den Reden von Xi Jinping und Li Keqiang aus dieser und letzter Woche angedeutet haben. Lou Jiwei hat das Statistikbüro unverhüllt kritisiert, denn weder die Pandemielage noch der Nachfragerückgang oder die Lieferkettenprobleme ließen sich in den Zahlen ablesen.
Am 18. Dezember veröffentlichte der neue Chefvolkswirt der LBBW Moritz Kraemer in der South China Morning Post eine Einschätzung der Wirtschaftsentwicklung in China. Ersten gäbe es nur noch wenig profitable Projekte, in die die chinesische Regierung investieren könne, so dass nur noch für eine Investition von 7% des BIP 1 % Wachstum erzeugt werden kann, während es vor 2007 noch 4 % waren. Auch ist der demographische Trend negativ. Zwischen 2013 und 2020 stieg der Anteil der nicht-arbeitenden alten Bevölkerung um 5 %, während es vor 2013 50 Jahre für einen solchen Anstieg brauchte. Auch sank die Produktivität zwischen 2010 und 2019 um 5 % ab. Kraemer ist der Meinung, dass die Führung ihren Griff der Wirtschaft lockern solle. Aber dies scheint zur Zeit nicht unbedingt wahrscheinlich.
Einzelnachrichten
Am 12. Dezember wurde der zweite Omikron-Fall in Guangzhou entdeckt. Daraufhin wurde der Wohnkomplex des Erkrankten abgesperrt. Circa 13.800 Menschen mussten in ihren Wohnungen bleiben, die nahegelegene U-Bahn Station wurde gesperrt und Fahrdienstleister sowie Taxis durften den Bereich nicht ansteuern.
Anfang der Woche wurde bekannt, dass die Anstrengungen, den Smog über Peking für die olympischen Winterspiele zu reduzieren, von 28 auf 64 Städte ausgedehnt werden. Nun sind auch die Stadt Tangshan, der Kohleabbau in Shanxi und die Aluminiumproduktion in Shandong und Henan betroffen. Nicht nur wird dies zu einem Schock der Angebotsseite führen, sondern auch Arbeitern der betroffenen Betriebe wird das Gehalt entsprechend des Produktionsrückganges gekürzt werden.
Am 13. Dezember wurden zehn Beamte der Stadt Guangzhou entlassen, bestraft oder ermahnt, weil sie das Fällen von mehr als 4.000 Bäumen zu verantworten hatten. Diese Maßnahme fällt nicht nur mit der Umstrukturierung der Entscheidungsriege in Guangzhou zusammen, sondern Xi Jinping will damit auch ein Zeichen für den Umweltschutz setzen.
Am 13. Dezember stürzte sich der stellvertretende Sekretär des Gemeindekomitees der KPCh von Liaoning namens Cong Zhihong in den Tod. In den letzten Jahren kam es vermehrt zu solchen „ungewöhnlichen Todesfällen“ (非正常死亡) und dementsprechend kam es zu Spekulation über die wahre Todesursache von Cong Zhihong.
Am 14. Dezember scheiterte der Start einer Trägerrakete. In den letzten drei Jahren kam es vermehrt zu solchen Fehlstarts, verglichen mit den Jahren bis 2018, und es lässt sich vermuten, dass sich die US-Sanktionen hier auswirken.
Am 14. Dezember berichtete Reporter ohne Grenzen (RSF), dass weltweit 488 Journalisten in Haft seien, ein Anstieg um 20 %. Dies sei vor allem den Verhaftungen in Belarus, Myanmar und China geschuldet.
Am 14. Dezember begann das Verfahren gegen den Harvard Chemieprofessor Charles Lieber. Im Rahmen der China Initiative des Department of Justice, die zuvor hauptsächlich US-Amerikaner chinesischer Herkunft oder chinesischer Nationalität in Visier nahm, wird Lieber vorgeworfen für seine Anstellung an dem Wuhan Institute of Technology zwar großzügig entlohnt worden zu sein, ohne es aber zu versteuern.
Am 14. Dezember wurde die zweite und endgültige Fassung des „Beijing 2022 Playbook“ veröffentlicht.
15. Dezember: In Hebei haben ein Elternpaar ihre fünf Kinder für 20.000 bis 80.000 Yuan verkauft. Kidnapping ist vor allem in armen Regionen Chinas ein massives Problem. Das demographische Missverhältnis von Frauen und Männern steht bei ungefähr 100 zu 105 und das weit verbreitete Bedürfnis nach einem Stammhalter führen zu Kidnapping von Frauen und zu Kinderhandel. Nach Schätzungen wurden in der letzten Dekade in China jährlich bis zu 70.000 Kinder entführt.
Am 15. Dezember berichtet die Xinhua Nachrichtenagentur, dass Archäologen die Grabstätte von Han Wendi (202-157 v. Chr.) ermitteln konnten. Sie liegt circa 2000 Meter weiter im Süden von Fenghuangzui, dem seit langer Zeit als Han Wendis Grab anerkannten Hügel.
Hu Xijin erklärte am 16. Dezember, dass er als Editor der Global Times zurücktritt. Damit verschwindet eine mächtige Stimme in der globalen Propagandaschlacht, hauptsächlich mit den USA.
Am 16. Dezember bestätigte der US-Senat die Ernennung von Nicolas Burns, einem erfahrenen Diplomaten, als Botschafter in Peking.
Am 16. Dezember hielt Xi Jinping auf der gemeinsamen Eröffnung der Föderation der Schriftstellung und Künstler und des Schriftstellerverbandes eine Rede. Dort betonte er vor allem, dass sich Künstler in den Dienst der Partei und des Landes stellen müssten und dass sie von „einwandfreiem“ moralischen Charakter seien sollten. Besorgniserregend ist nicht nur das immer stärker werdende Bedürfnis der KPCh, die Kunstwelt zu kontrollieren, sondern auch die damit einhergehende Kampagne gegen Personen der LGBTQIA+, denn die Rede von Xi Jinping wendet sich ausdrücklich gegen „Waschlappen“ und „verweiblichte Männer und Jungen“. Letztere Kampagnen wirkten sich schon auf den Lehrplan in den Schulen und die Film- und Serienproduktion aus.
Wegen der vierjährigen Strafe für Sun Yang darf er nicht im Rahmen von professionellen Programmen oder staatlich geförderten Programmen trainieren. Nun wurde am 18. Dezember in der vollständig vom Staat finanzierten Anji Schwimmakademie in Zhejiang gesehen. Dies wird nun von der WADA untersucht.
Am 19. Dezember tauchte Peng Shuai bei einem Langlaufwettkampf auf und gab danach ein sehr gezwungenes Interview.
Am 19. Dezember starb Wu Yuanzhi 吴远之, der Gründer von Dayi chaye 大益茶叶, plötzlich.
Das Schiff Liaoning 辽宁号 hat am 19. Dezember die japanische See bei Okinawa und Miyako durchfahren.
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